Vorweg: Es gibt Lücken. Und zwar gewaltige. Um die wirtschaftlichen Kompetenzen unserer Jugendlichen ist es nicht besonders gut bestellt. Das liegt nicht an den Schülerinnen und Schülern – es fehlt schlicht und einfach das flächendeckende Bildungsangebot zu diesem Thema in den Lehrplänen. Aber es gibt auch positive Nachrichten: Eine Reihe von Initiativen bemüht sich, Licht ins ökonomische Dunkel zu bringen. Und die Volkswirtschaftliche Gesellschaft Tirol (VWGT) wird heuer in Kooperation mit dem Bildungsconsulting der WK Tirol sein Angebot in diesem Bereich massiv aufstocken. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, sagt schon ein altes Sprichwort. Deswegen gilt es, Wirtschaftsbildung früh anzusetzen.
Studien belegen Aufholbedarf
Die Lücken in der Wirtschaftsbildung sind nicht nur „gefühlt“ vorhanden, sie sind „amtlich“. Eine Reihe von Studien, etwa der „YEP Jugendbericht“ der „Stiftung für Wirtschaftsbildung“, erfassen im Detail den aktuellen Status. Fast die Hälfte aller Jugendlichen (47 %) fühlen sich nicht auf ihre Zukunft vorbereitet. Mehr als jeder Zweite (54 %) hat das Gefühl, in der Schule keine Life Skills, also Fähigkeiten zur Bewältigung des Alltaglebens, vermittelt zu bekommen. In der AHS Oberstufe sagen sogar 75 % der befragten Schülerinnen und Schüler, dass sie in der Schule (eher) keine Life Skills vermittelt bekommen. Viele dieser praktischen Alltagsfähigkeiten lassen sich im Bereich Wirtschafts- und Finanzbildung verorten. Ein zentrales Ergebnis der Studie: Wirtschaft ist für Jugendliche ein sehr komplexes, unnahbares und hochschwelliges Thema - damit sie sich als Teil der Wirtschaft verstehen, ist es wichtig, sie in ihrer Lebensrealität abzuholen.
Die Jugendlichen werden in der Studie auch über jene Themenfelder befragt, über die sie mehr lernen wollen. Die beiden häufigsten Antworten lauten „Berufe und Arbeitswelten“ sowie „Geld und Finanzierung“. Die Jugendlichen wollen aber nicht nur „mehr“ Wirtschaftsbildung, sie muss auch „besser“ sein: Auf die Frage, warum (andere) jungen Menschen das Thema Wirtschaft nicht spannend finden, antworten mehr als 40 %: „Die Methode, WIE man darüber lernt“. Damit wird klar: Ja, es braucht zusätzliche Lernangebote. Und: Sie dürfen das Thema nicht theoretisch angehen, sondern müssen einen möglichst spannenden, praxisnahen Zugang bieten.
Wirtschaftsverständnis wichtiger denn je
Grund zur Hoffnung gibt, dass Politik, Sozialpartner, Schulen und private Initiativen den Bedarf an moderner Wirtschaftsbildung erkennen und bereits aktiv werden. Die steigende Verschuldungsquote von Jugendlichen ist ein akutes Signal dafür, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Die Lebenswelten der Jugendlichen haben sich in den letzten Jahren massiv verändert. Handyverträge, Streamingangebote und Microtransactions in Computerspielen gehören mittlerweile zum Alltag und erfordern einen verantwortungsvollen Umgang mit Finanzen. Auch Kauf- und Leasingverträge gehören mittlerweile zur Normalität. „Wer hier die Langzeitwirkungen übersieht oder das Kleingedruckte nicht versteht, kommt schnell in wirtschaftliche Turbulenzen. Wirtschaftliches Know-how ist nicht nur im eigenen Umfeld wichtig, sondern auch für das Verständnis und die Partizipation in größeren Einheiten“, erklärt Bildungsconsulting- Teamleiter, Markus Abart. Wer keine Ahnung hat, was Inflation ist, worüber bei einer Steuerreform überhaupt geredet wird und wo der Unterschied zwischen brutto und netto liegt, tut sich schwer, mitzudiskutieren und richtige Entscheidungen zu treffen.
Aktueller Status in den Schulen
Derzeit werden wirtschaftliche Kenntnisse im
Rahmen des Fachs „Geographie und Wirtschaftskunde“ vermittelt. Dazu kommt eine Behandlung wirtschaftliche Themen in fächerübergreifender beziehungsweise integrativer Form. Sieht man sich die oben genannte YEP-Studie und die Aussagen viele Experten an, ist das definitiv zu wenig und vor allem zu theoretisch. Deswegen gibt es immer wieder Initiativen, die eine Verstärkung des Wirtschaftsverständnisses bei Jugendlichen zum Ziel haben. Ein Beispiel dafür ist die Initiative FLiP einer österreichischen Bank. FLiP fördert mit E-Learning und verschiedenen Apps den verantwortungsvollen Umgang mit Geld und die finanzielle Eigenverantwortung von Jugendlichen. Ab Herbst startet zudem an einigen österreichischen Schulen ein Pilotversuch, mit dem 35 Mittelschulen und AHS-Unterstufen die Wirtschaftsbildung verstärken. Zwei Drittel der Schulen setzen auf die Behandlung in einem fächerübergreifenden Unterricht, ein Drittel führt ein eigenes Fach ein.
Initiativen im Bereich Wirtschaftsbildung in Tirol
Ansätze gibt es viele, hier seien nur die beiden wichtigsten im Umfeld der Wirtschaftskammer Tirol genannt. Im Volksschulbereich erfüllt „KIWI – Kinder entdecken Wirtschaft“ eine wichtige Funktion. Bei „KIWI“ machen sich Schüler auf eine kaufmännische Entdeckungsreise und schlüpfen für einen Vormittag in die Rolle eines Unternehmers. Im Vorfeld werden kreative Geschäftsideen gemeinsam mit den Lehrpersonen im Unterricht ge¬plant. Dabei beschäftigen sie sich mit der Namensfindung, erarbeiten Marketingstrategien und bestellen oder produzieren Waren, deren Preise sie selbst kalkulieren. Es gilt, einen Verkaufsstand anzumieten und einen Gewerbeschein zu beantragen. Eine Online-Komponente vermittelt erste digital-wirtschaftliche Erfahrungen. Die Schüler haben mit „KIWI“ die Möglichkeit, wirtschaftliche Zusammenhänge auf spielerische Weise kennenzulernen. Ganz ähnlich lautet der Grundgedanke beim Projekt „Junior Company“. Die Zielgruppe sind hier Jugendliche aus der Mittelschule, den polytechnischen Schulen und den weiterführenden Schulen. „Junior Company ermöglicht es Schülerinnen und Schülern der 7. bis 13. Schulstufe Jahr für Jahr, sich als Unternehmer zu versuchen und auf Wunsch auch am Landeswettbewerb teilzunehmen“, erklärt Junior-Landesbetreuerin Magdalena Wasilewski vom WK-Bildungsconsulting, die das Projekt in Kooperation mit der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft Tirol abwickelt. Die Teilnahme an „Junior Company“ ist kostenlos und ein Start direkt an der Schule jederzeit möglich. Je nach Programmvariante dauert das Projekt drei Monate oder bis zu einem Schuljahr.
Das plant die Tiroler Wirtschaft
In Tirol widmen sich neben dem Land und der Bildungsdirektion vor allem das Bildungsconsulting der WK Tirol und die Volkswirtschaftliche Gesellschaft Tirol diesem Thema. Eine der Kernaufgaben der VWGT ist die Weiterbildung und Information von Erwerbstätigen sowie der heranwachsenden Jugend. Um die Bildungsqualität generell und die Berufsbildung speziell weiterzuentwickeln, setzt der Verein auf die Zusammenarbeit zwischen Schule, Hochschule und Wirtschaft, Persönlichkeits- und Berufsbildung sowie Bildungsberatung und Berufsorientierung. So soll die wirtschaftliche, finanzielle und gesellschaftliche Bildung die Volkswirtschaft stärken. Dabei werden auch Synergien zwischen den Institutionen genutzt. Präsident der VWGT ist Dominik Jenewein, der auch Landesvorsitzender der „Jungen Wirtschaft Tirol“ ist. Und als Geschäftsführer fungiert Bildungsconsulting-Teamleiter Markus Abart. „Oft genug weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut – das kann uns nicht passieren“, erklärt Markus Abart, „zudem sichert die enge Vernetzung mit der Wirtschaft hohe Praxisnähe und Aktualität der vermittelten Inhalte.“ Die VWGT sorgt als Träger des Projekts „Junior Company“ dafür, dass Jugendliche das Abenteuer Selbständigkeit und Unternehmertum ganz konkret erleben. Darüber hinaus sieht sich die VWGT als Drehscheibe unterschiedlichster Angebote in den Bereichen Wirtschaftsbildung, dem kompetenten Umgang mit Geld und der Stärkung der unternehmerischen Fähigkeiten - mit Unterrichtsmaterialien, Angeboten zu Workshops und Kontakten zu Unternehmen. Für das heurige Jahr ist die Intensivierung und Weiterentwicklung der Aktivitäten geplant. Dabei wird der Fokus zunächst auf die Polytechnischen Schulen gelegt, die als praxisnahe, berufsvorbereitende Schule speziell mit dem Junior Company Instrument und Angeboten in der Wirtschaftsbildung angesprochen werden sollen, um den Jugendlichen Erfahrungen im Unternehmertum und im Umgang mit Geld zu bieten. Im ständigen Austausch mit den Schulen soll eine Sensibilisierung von Lehrpersonen in Tirol für wirtschaftliche Grundkompetenzen erreicht werden. Die VWGT und das Bildungsconsulting sind auch gerade dabei, ein jugendgerechtes Angebot in der Finanz- und Wirtschaftsbildung zusammenzustellen. „Unsere Jugendlichen sind die Arbeitnehmer, die Selbständigen und die Konsumenten der Zukunft. Die immer komplexer werdende Welt erfordert von jedem Einzelnen ein Mindestmaß an Wirtschaftsverständnis. Wir sehen es als unsere Aufgabe, den Jugendlichen die Materie so aufzubereiten, dass sie einen direkten Bezug zu ihrer Lebenswelt und ihrem Alltag herstellen können. Dann wird aus trockener Theorie lebendige Praxis und das Lernen geht von alleine“, ist Markus Abart überzeugt.